Neueste Studien zur Regulation der humoralen Immunität widerlegen ein jahrelanges Dogma zur Aufrechterhaltung der Impftiter
Das „B cell maturation antigen“ (BCMA) wird nicht für das Überleben von langlebigen Plasmazellen benötigt
Plasmazellen sind für einen erfolgreichen und lang anhaltenden Schutz unseres Körpers durch das Immunsystem essenziell. Sie entstehen aus B-Lymphozyten nach einer Impfung oder Infektion und produzieren schützende Antikörper. Diese Antikörper, auch Immunglobuline genannt, erkennen spezifisch den Erreger, gegen den wir geimpft wurden oder der uns bereits krank gemacht hat. Damit wir auch Jahre nach der Impfung noch geschützt sind, muss sich ein Teil dieser Antikörper-produzierenden Plasmazellen in sogenannten sicheren Nischen, zum Beispiel in unserem Knochenmark oder Darm, einnisten. Um dort als langlebige Plasmazelle bis zu Jahrzehnte im menschlichen Organismus zu überleben, benötigen sie die Hilfe von Nachbarzellen, die Signalmoleküle wie beispielsweise das APRIL (a proliferation-inducing ligand) ausschütten. Diese Signalmoleküle werden von den Plasmazellen über spezifische Eiweiße, sogenannte Rezeptoren, auf der Oberfläche erkannt. Dadurch wird ihr Zelltod verhindert.
Der Rezeptor „B-cell maturation antigen“ (BCMA) wird ausschließlich von langlebigen Plasmazellen produziert und galt bisher als zentraler Mediator der APRIL-vermittelten Überlebenssignale. Im Rahmen ihrer Promotion beobachtete Frau Dr. Shannon Menzel jedoch, dass BCMA verstärkt von der Oberfläche muriner Plasmazellen abgespalten wird. Dies führte zu Zweifeln an seiner Funktion als Überlebensrezeptor. Um dessen Rolle eindeutig zu klären, generierten die Forscher zwei unabhängige präklinische Modelle und untersuchten mittels verschiedener Immunisierungsstrategien – sowohl proteinbasiert als auch mRNA-basiert – die Anzahl der Erreger-spezifischen langlebigen Plasmazellen. Überraschenderweise zeigten beide Modelle eine vergleichbare Anzahl langlebiger Plasmazellen wie die Kontrollgruppen. Auch durch die Untersuchung der Genexpression in den Zellen konnte keine Abnahme der Überlebenssignale bei BCMA-Defizienz festgestellt werden.
Diese Untersuchungen fanden im Rahmen des von der DFG geförderten GRK2599 „FAIR“ auch unter der Leitung von Frau Dr. Katharina Pracht statt und widerlegen die bisherige Annahme, dass BCMA für das Fortbestehen langlebiger Plasmazellen intrinsisch benötigt wird. Die Ergebnisse deuten vielmehr darauf hin, dass BCMA als löslicher „Täuschungsrezeptor“ (Decoy-Rezeptor) für APRIL fungiert und somit die Verfügbarkeit des Überlebenssignals – und damit auch die Anzahl der langlebigen Plasmazellen – feinjustiert. Die Ergebnisse dieser Promotionsarbeit wurden kürzlich im renommierten Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.
Diese Studie stellt die Bedeutung der APRIL-BCMA-Achse in Frage und legt nahe, dass alternative Mechanismen die Langlebigkeit von Plasmazellen steuern. Diese Erkenntnisse könnten Auswirkungen auf therapeutische Ansätze bei Autoimmunerkrankungen oder Plasmazelldysplasien haben.